Muezzin-Rufe in Köln: Die Stadt hat bisher 22.10.21 keine Anträge erhalten. Eine Sprecherin der Stadt sagte vergangenen Freitag, dass drei Moscheegemeinden Interesse bekundet hätten und Informationen eingeholt haben. Ein Antrag wurde jedoch nicht gestellt. „Der öffentliche Gebetsruf ist von der Religionsfreiheit gedeckt. Somit hätten Moscheen auch ohne die Ankündigung der Stadt öffentlich zum Gebet rufen können“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), auf Anfrage von IslamiQ. Doch die Moscheegemeinden reagierten zurückhaltend, um den sozialen Frieden nicht zu gefährden. Altaş kündigt an, dass die Kölner IGMG-Moscheegemeinden zunächst intensive Gespräche mit der Stadtgesellschaft führen werden, bevor sie entscheiden, ob sie den öffentlichen Gebetsruf beantragen möchten.
Die DITIB begrüßt das auf zwei Jahre befristete Modelprojekt „Öffentlicher Gebetsruf“ der Stadt Köln. „Das ist ein Signal für Anerkennung der Muslime als ein gleichwertiger und natürlicher Teil der multireligiösen deutschen Gesellschaft“, erklärt DITIB-Generalsekretär Abdurrahman Atasoy auf Anfrage von IslamiQ. Obwohl es sich beim Gebetsruf um ein Recht im Rahmen der Religionsfreiheit handle, sei es für die DITIB sehr wichtig, die Mitbürger „zu sensibilisieren und die offenen Fragen, die durch Desinformationen in den Medien verbreitet werden, abzubauen“, erklärt Atasoy. Aus diesem Grund entscheide jede Kölner DITIB-Gemeinde für sich, ob sie den Antrag für den Gebetsruf stellt.
Der Muezzin darf nur jeden Freitag zwischen 12 und 15 Uhr und für maximal fünf Minuten Gläubige zum Gebet einladen. Außerdem muss jede Moscheegemeinde einen Vertrag mit Auflagen (u.a. Höchstgrenze der Lautstärke) für die Umgebung abschließen und vorher Anwohner mit Flyern informieren sowie einen Ansprechpartner für Beschwerden und Fragen benennen. Eine Pedition fordert die Erlaubnis rückgängig zu machen.
Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland lehnen laut einer Umfrage ab, dass der Muezzinruf genauso selbstverständlich zu hören sein sollte wie Kirchenglocken. 64 Prozent wollen dies sogar „auf keinen Fall“.
Das zeigt eine am Donnerstag 14.10.21 veröffentlichte repräsentative Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des „Bonner General-Anzeigers“. Nur 18 Prozent sprechen sich für den islamischen Gebetsruf aus.
In allen Altersgruppen überwiegt die Ablehnung, wobei sich die 18- bis 29-Jährigen mit einem Viertel am ehesten für einen regelmäßigen Muezzinruf aussprechen.
Während Katholiken zu 82 Prozent die Frage verneinen, sind es unter den Protestanten nur 71 Prozent. Damit zeigen sie sich offener als Konfessionslose, die zu 76 Prozent Ablehnung bekunden.
Die Stadt Köln hatte am Donnerstag 7.10.21 angekündigt, dass Muezzins künftig auf Antrag und unter Auflagen zum Freitagsgebet rufen dürfen. Ein entsprechendes Modellprojekt sei zunächst auf zwei Jahre befristet. Die Ankündigung hatte zu Kritik geführt, wobei der Stadt zunächst noch keine Anträge von muslimischen Gemeinden vorlagen.
Der arabische Gebetsruf nach sunnitischer Tradition lautet auf Deutsch: „Gott (Allah) ist am größten. Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Gott. Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist. Kommt zum Gebet. Kommt zum Heil.“ Ein zweiter Gebetsruf findet in der Moschee direkt vor Beginn des Gebets statt. Wenn ein Muslim alleine betet, muss er keinen Gebetsruf vollziehen.
Die vier sunnitischen Rechtsschulen sind sich einig darüber, dass der Ruf zum Gebet eine verpflichtende Vorstufe des gemeinschaftlichen Gebetes ist.
In Deutschlands wird meist im Inneren der Moschee in Zimmerlautstärke zum Gebet gerufen. Nach einer erfolgreichen Klage im Jahr 1985 war die Fatih-Moschee im nordrhein-westfälischen Düren die erste in der Bundesrepublik, in der ein Muezzin dreimal täglich per Lautsprecher zum Gebet auffordern kann.
Mittlerweile ist der lautsprecherverstärkte Gebetsruf an mindestens 30 Moscheen bundesweit eingeführt. mehr Informationen
Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker verglich die Rufe bei der Projektvorstellung mit dem Kirchengeläut des Kölner Doms. Passt so ein Vergleich?
Ein wesentlicher Unterschied liegt darin, dass der Gebetsruf eine direkte Botschaft ist. Mit dem Muezzinruf wird das Glaubensbekenntnis verkündet. Wenn es dann heißt, „kommt her zum Gebet, kommt her zum Heil“, dann ist hier relativ eindeutig festgelegt, wo das Heil ist und damit auch, wo das Heil nicht ist.
Die Glocken sind eher ein Symbol. Sie zeigen nur an, welche Zeit jetzt ist. Z.B. die Zeit für ein Gebet. Es gibt unterschiedliche Glocken. Da gab es Ratsglocken, die den Stadtrat zusammengerufen haben oder Gerichtsglocken, die zum Beispiel bei der Hinrichtung von Delinquenten geläutet haben. Es gab auch die Wachtglocke zum Aufschließen und zum Abschließen der Stadttore oder Sturm– und Feuer-Glocken, wenn irgendeine Gefahr drohte.
Das Läuten lässt sich schon im 6. Jahrhundert nachweisen. Der Muezzinruf ist seit dem 7. Jahrhundert, in manchen Regionen Europas, wie zum Beispiel in Spanien seit dem 8. Jahrhundert bekannt, sehr viel später auch auf dem Balkan. mehr Informationen
Mit dem Muezzinruf will sich Köln als besonders weltoffen zeigen. Doch in der Zentralmoschee in Köln steht auch: „Verhilf uns zum Sieg über die Ungläubigen.“ Sure 2,286 Abdel-Hakim Ourghi hat den arabischen Schriftzug entdeckt, fotografiert und eine Debatte darüber ins Rollen gebracht.
„Warum wird dieser Ort mit einem Bittgebet verziert, das den Sieg über die Ungläubigen erfleht? Das ist eine Kampfansage an das friedliche Miteinander in Deutschland“, erklärt Ali Ertan Toprak gegenüber der „Welt“.
Vielleicht lässt sich ein solches Verhalten der Moscheebetreiber der Ditib, die schließlich der verlängerte Arm der Religionsbehörde des türkischen Präsidenten Erdogan ist, mit den Worten beschreiben, die Otto Jastrow, emeritierter Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg 2018 in einem Beitrag für den Deutschlandfunk wählte.
„Die Diskriminierung anderer Religionen zieht sich wie ein roter Faden durch die islamische Geschichte. Da der Islam für seine Gläubigen die einzig wahre und letztgültige Religion ist, können andere Religionen per se nicht gleichberechtigt sein. Deshalb kennt der Islam keine religiöse Toleranz; sie ist ein Wunschbild des Westens.“ weiterlesen
Die Debatte um den Muezzin in Köln ist Sinnbild einer kranken Diskurskultur, wenn es um Themen wie den Islam geht. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die sich mit solchen Aktionen mehr Toleranz erhoffen: Ihnen geht es nur um sich und das Gefühl, besser zu handeln und moralischer zu sein. Eine Forderung nach mehr Toleranz und Vielfalt seitens Ditib trauen sie sich nicht zu formulieren.